Eine große Liebe in finsterer Zeit: Florian Havemanns berüchtigter Roman nach zwölf Jahren im Verborgenen endlich veröffentlicht.

Wegen "unnationalsozialistischer Lebensweise" sitzt der Maler Rudolf Schlechter 1938 in Berlin-Erkner in Untersuchungshaft. Der Grund ist das als skandalös empfundene Verhalten, das er und seine Frau Speedy an den Tag legen. In Haft beginnt Schlechter, sein Leben mit Speedy aufzuschreiben. In 260 kurzen Kapiteln steuern all die Abenteuer und Betrachtungen auf eine "andere" Ästhetik des Widerstands zu – strikt individualistisch, sexuell. Schlechter, der Masochist, der Mann, der eine Frau sein möchte, misstraut den gängigen Widerstandsnarrativen. Das, was den erotischen Außenseiter antreibt, schenkt ihm gleichzeitig einen entwaffnend unverstellten Blick auf die Welt, rechts und links, oben und unten. Skandalös, bohrend und unterhaltend beschreibt und seziert er die anderen – und sich selbst immer mit. Weil Speedy mit anderen Männern schlief, wurde Schlechter eingesperrt. Weil sie am Ende mit den Richtigen schläft, kommt er wieder frei.

In der disruptiven Platzierung des Genderthemas mitten in die ästhetischen und politischen Auseinandersetzungen im Berlin der zwanziger und dreißiger Jahre trifft dieser große Roman einen Nerv unserer Gegenwart. Florian Havemanns Schlechter ist inspiriert von der Figur des realen Malers Rudolf Schlichter (1890–1955), der in Berlins linken wie rechten Zirkeln mit Zeitgenossen wie Ernst Jünger und Bertolt Brecht verkehrte. Berühmt wurde der Maler der Neuen Sachlichkeit unter anderem durch die erotischen Zeichnungen und Gemälde, für die seine Schweizer Ehefrau Speedy Modell stand.

Speedy ist die interessanteste Frauenfigur, die mir seit langer Zeit in einem deutschsprachigen Werk begegnet ist … wäre dies ein französisches oder amerikanisches Buch, hätte es längst preisberegnet seinen Weg in unsere Regale angetreten … Clemens J. Setz, FAZ